Offener Brief Für eine klimaresiliente Stadt

Mettmann · „Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, ich wende mich an Sie, weil die Zeit zunehmender Naturkatastrophen außergewöhnliche Maßnahmen von Mettmann verlangt.

 Siedlung am Stadtwald in Mettmann: Viel Versiegelung in Form von privaten Stellplätzen und Garagen.

Siedlung am Stadtwald in Mettmann: Viel Versiegelung in Form von privaten Stellplätzen und Garagen.

Foto: Eberhard Backeshoff

Ist die Hochwasserkatastrophe, die im Juli das Ahrtal in ein Inferno verwandelte, bereits vergessen? Verdrängt durch den Alltag des Wahlkampfs? Natürlich, mittlerweile sind schnelle Entschädigungszahlungen versprochen worden. Aber: Welche Vorkehrungen für kommende Katastrophen werden ergriffen?

Außerhalb von Ahr und Erft, außerhalb von Bächen wie der Düssel oder der Rurtalsperre waren die Auswirkungen noch erträglich. Dennoch gaben Experten wie der Biologe Wolfgang Büchs von der Uni Hildesheim zu bedenken, die Ahrtal-Fluten seien höher als jemals zuvor gemessene Werte gewesen.

Die baulichen Mängel sind eindeutig: Besiedlung, Versieglung, Flurbereinigung und Flussbegradigungen haben die extremen Folgen des Starkregens begünstigt. Verhängnisvoll war es auch, den Nürburgring in unmittelbarer Flussnähe als „modernste und sicherste Grand-Prix-Strecke der Welt“ auszubauen. Der Preis: Rund um Ahrweiler dominieren öde Straßendörfer mit den typischen Flächenversiegelungen. Im Vergleich mit dem Kreis Ahrweiler kann sich Mettmann nicht wirklich rühmen, mehr für Klimaanpassung unternommen zu haben.

Immerhin, das NRW-Umweltministerium legte bereits im Oktober 2020 das Sofortprogramm „Klimaresilienz in Kommunen“ in Höhe von 12 Millionen Euro auf, gefolgt vom Förderprogramm „Klimawandelvorsorge in den Kommunen“ über 10 Millionen Euro von Ende August 2021. Aus der Stadtverwaltung heißt es jetzt typisch neudeutsch: „Das Klimaschutzkonzept der Stadt Mettmann ist zurzeit in Neuaufstellung. Hierbei sollen auch Maßnahmen entwickelt werden, für die zukünftig Mittel aus dem Klimaresilenzprogramm (!) des Landes beantragt werden können.“

Wie gesagt, das Landesprogramm zur Klimaresilienz gibt es seit knapp einem Jahr. Man hat also gewartet, bis das Kind in den Brunnen gefallen war und nur noch an Schadensminimierung gedacht werden konnte. In dieser Hinsicht wurde jetzt zumindest ein Maßnahmenkatalog in Aussicht gestellt. Doch die Frage darf erlaubt sein, ob die Präventionsmaßnahmen, die am Ende beschlossen werden, tatsächlich vor künftigen Hochwasserkatastrophen schützen. Es bleibt zu befürchten, dass die erforderlichen Maßnahmen nicht allein in den Eifeldörfern, sondern leider auch im Kreis Mettmann, bis hinein in die Öko-Fraktion, auf erhebliche mentale Barrieren stoßen, da auch hier die Autolobby quasi ein Naturrecht hat. Dabei steht fest, dass keine Zeit zu verlieren ist, da uns die Naturkatastrophen in immer kürzeren Abständen heimsuchen.

Internationale Klimaforscher errechneten für das Wissenschaftsmagazin Science: In den nächsten 15 Jahren wird die Zahl der Flutopfer in Deutschland auf 710.000 steigen. Damit versiebenfacht sich die Anzahl der vom Hochwasser Betroffenen.

Es gibt also keine Veranlassung für ein „Weiter so“. Henk Ovink, der einflussreichste niederländische Wasserexperte, beziffert, dass 90 Prozent aller Umweltkatastrophen vom Wasser herrühren. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung schließt daraus: „Nichtstun wäre gefährlich“. Um die Sicherheit der Menschen weltweit zu gewähren, gelte es, sich an Regen, Hochwasser und Fluten entsprechend anzupassen. Und dabei die Chance zu nutzen, aus den fossilen Energieträgern auszusteigen.

Für Nordrhein-Westfalen, wo der Anteil stark versiegelter Flächen in den letzten 30 Jahren um rund ein Drittel gestiegen ist, hat das klare Konsequenzen: Die in Mettmann allgegenwärtigen Parkplätze und wenig befahrene Straßen müssten größtenteils entsiegelt werden. Wenn nicht jetzt, dann wird’s nach dem nächsten Starkregen entsprechend teurer. Die Konsequenzen betreffen vor allem Sied­lungen wie Kaldenberg und Mettmann-Süd, aber auch den Wohnbezirk an der Goldberger Straße, wo asphaltierte Wege nach der Sintflut brüchig und Parkplätze nahezu unbenutzbar geworden sind. Den Asphalt - etwa auf der ramponierten oberen Teichstraße - durch wasserdurchlässigen Belag zu ersetzen, wäre auch ein Beitrag, endlich von fossilen Energieträgern wegzukommen. Selbst die neue Vorzeige­siedlung am Stadtwald bietet nur einen Abglanz dessen, was alle neueren Stadtquartiere in Düsseldorf aufweisen: Ausreichend öffentliche Grünflächen. Stattdessen herrscht in der Siedlung am Stadtwald Alibi- oder Abstandsgrün vor. Entsiegelte Wege sind Mangelware. Während die Düsseldorfer Quartiere grün, autofrei und flächensparend sind, kommt hier kein Wohnhaus ohne Garage und Stellplatz aus. Geparkt wird sogar auf öffentlichen Rasenflächen.

Mettmanner Hauseigentümern fehlt der Anreiz, ihre Flächen entsiegeln zu lassen, weil es dafür keinerlei Zuschüsse gibt. Da viele Schottergärten, Stellflächen, Garagen, asphaltierte Wege und versiegelte Terrassen in privater Hand sind, käme es darauf an, Hauseigentümer im Rahmen des NRW-Sofortprogramms finanziell einzubinden oder durch kommunale Förderprogramme zu unterstützen. Weil Hauseigentümer auch Bauherren sind, würde das die Kommunen entlasten. Wie das möglich ist, zeigt sich in Düsseldorf, wo bereits 2016 das „Förderprogramm Flächenentsieglung, Dach- und Fassadenbegrünung“ aufgelegt wurde. Derartige Programme gibt es mittlerweile in 33 NRW-Städten, sogar im Kreis Mettmann, in Ratingen und Velbert. Leider besteht in Mettmann keine Einsicht in die Notwendigkeit einer umfassenden ökologischen Stadtreparatur. Im Gegenzug setzt man lieber auf drastisch erhöhte Grundsteuern für Hauseigentümer.

Immer mehr NRW-Städte investieren in Klimaresilienz und in die heute oft diskutierte Gebäuderesilienz. Was bedeutet, Gebäude ohne großen Aufwand an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Begrünte Dächer und Fassaden wirken wie ein Schwamm und vermögen 50 bis 80 Prozent der Niederschläge zu speichern. In Düsseldorf entstanden in den letzten Jahren selbst auf Industriearealen neue Siedlungen wie Grafental, die wie innerstädtische Oasen wirken. Das ist der große Vorteil gegenüber Asphalt und Beton, die lediglich die Hitze aufnehmen.

Bei allem sollte das stärkste Argument nicht vergessen werden: Entsiegelung und Begrünung wäre endlich ein wichtiger Schritt hin zur lebenswerten Stadt.

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, haben Sie den Mut, Mettmann zu einem Vorbild im Klimawandel zu machen.“

Dr. Klaus Englert

Architektur-Publizist und Buchautor,

Ausstellungskurator und freier Mitarbeiter bei verschiedenen Architekturbüros

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort