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Interview Campino Die Toten hosen Düsseldorf Punk

Campino im Interview : „‘Ne Art Klassenfahrt“

Aufgewachsen in Mettmann in den 60er und 70er Jahren, musikalisch groß geworden in Düsseldorf, stieg Campino zum bekanntesten Punkrocker Deutschlands auf. Seine Band, die Toten Hosen, war mit den Ramones und U2 auf Tour, engagiert sich seit Jahrzehnten gegen Rechts und hat bis heute über 14 Millionen Tonträger verkauft. Am 27. Mai erscheint das Jubiläumsalbum „Alles aus Liebe: 40 Jahre Die Toten Hosen“. Am 10. Juni gehen die Hosen auf Tour, die Termine in der Düsseldorfer Arena sind - natürlich - ausverkauft. Olaf Neumann sprach für das Schaufenster Mettmann mit Campino alias Andreas Frege - über die chaotischen Anfänge, ein Thema, das nie vorbei sein wird und seinen 60. Geburtstag am 22. Juni.

Campino, die Welt und ihre Zukunft wirkt manchmal ziemlich bedrohlich. Wie gehen Sie persönlich damit um?

 Man spürt überall tiefe Verunsicherung, Angst und Sorge. Gleichzeitig ist es wichtig für jeden einzelnen von uns, sich private Glücksmomente zu holen, um diese schwierige Zeit überhaupt durchzuhalten. Wir sollten das, was uns selber Spaß macht, umso mehr würdigen. Es macht uns verrückt, die ganze Zeit Nachrichten zu konsumieren, um auf dem neuesten Stand zu sein. Denn dafür reichen eigentlich fünfzehn Minuten am Tag. Der Rest ist nur Wiederholung und Einschätzung von Experten, die ständig etwas Widersprüchliches sagen, aus dem man nicht schlau wird. 

Lassen Sie uns lieber über die Band reden. Soll das neue Doppelalbum „Alles aus Liebe: 40 Jahre Die Toten Hosen“ nicht nur Ihre besten Songs präsentieren, sondern irgendwo auch eine Geschichte erzählen?

 Ja, es ist unsere Geschichte - erzählt in Liedern. Eben deshalb ist es auch keine reine Best-Of geworden. Ausschlaggebend war, welches Lied uns emotional viel bedeutet oder wir mit einer entscheidenden Band-Phase verbinden. Das Album ist also eine musikalische Zeitreise durch unsere lange Historie, so wie wir selbst sie in Erinnerung haben.

 In dem neuen Lied „Alle sagen das“ singen Sie, dass Ihnen Gerüchte „scheißegal“ seien. Hat Sie der Vorwurf, die Hosen seien kein Punkrock mehr, anfangs sehr verletzt?

 Es hing davon ab, aus welcher Ecke dieser Vorwurf kam. Letztlich waren es eher konservative Medien, die versucht haben, uns dadurch zu diskreditieren. Also stellten sie die Behauptung auf: Wer so erfolgreich ist, kann gar kein Punkrocker mehr sein. In der Düsseldorfer Punkzene wurden wir beileibe nicht als Verräter gehandelt, sondern immer respektiert. Wir haben uns lange Zeit mit unserem Erfolg auseinandergesetzt, weil es keine Blaupause für uns gab. Die einzige Punkband, die erfolgreich gewesen war und ein kleines bisschen länger gehalten hat, waren The Clash.

 Das erste Konzert der Toten Hosen fand Ostern 1982 im Bremer Schlachthof statt. Dort wurden Sie irrtümlicherweise als die „Toten Hasen“ angesagt. War an dem Abend schon irgendwie zu spüren, dass die Band von Dauer sein könnte?

 An so etwas hat niemand gedacht. Wenn wir das im Geringsten geahnt hätten, hätten wir uns wahrscheinlich einen viel lässigeren Namen gegeben, der weltweit besser zu verstehen wäre, so dass man sich nicht immer erklären muss. Es war einfach der Versuch, mit Freunden auf eine Art Klassenfahrt zu gehen. Die Besetzung wurde nicht nach musikalischer Fähigkeit gewählt, sondern danach, wer zu den besten fünf Kumpeln gehörte. Dahinter steckte keine Strategie. Wir haben anfangs privat bei Fans geschlafen. Niemand von uns dachte daran, dass so etwas einmal eine Karriere werden könnte. Der Begriff „Gruppenkasse“ stand fast ein Jahrzehnt lang dafür, dass man Geld einzuzahlen hatte, zum Beispiel für die Proberaummiete. Dass man aus dieser Kasse auch einmal Geld bekommen würde, lag außerhalb unserer Vorstellungskraft. Es gab mal großen Streit in der Band, weil Wölli aus der Not heraus sein Schlagzeug und die Gesangsanlage verkaufen wollte, die er der Band zur Verfügung gestellt hatte. Da erklärte ich ihm, dass unsere Instrumente heilig seien und daher unverkäuflich. Zur Not müssten wir eben als Plakatierer arbeiten. Für mich stand damals schon fest, dass wir keine Amateurmusiker waren. Aber erst ab 1988, als „Ein kleines bisschen Horrorschau“ erschien, haben wir mit der Band regelmäßig Geld verdient. 

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 Sie haben „Willkommen in Deutschland“ neu aufgenommen. Statt „Schwachsinn“ und „Verrückte“ heißt es jetzt „Wahnsinn“ und „Nazis“. Machen die neuen Rechtsextremen Ihnen Angst?

 Nazis machen mir keine Angst, aber mir ist auch klar, dass dieses Thema nie vorbei sein wird. Ich fand den Begriff „Schwachsinn“ rückblickend nicht dringlich genug, weshalb ich durch die Umbezeichnungen eine Schärfe reinbringen wollte, die angebracht ist. Das Lied war damals gut gemeint, aber ein bisschen hilflos. Es hat sich im Lauf der Jahre weiterentwickelt, sodass es jetzt eine andere Schlagkraft besitzt. So wie wir es zurzeit spielen, war es immer gemeint.  

In „Das Wort zum Sonntag“ heißt es, „Ich bin noch keine sechzig. Und ich bin auch nicht nah dran“. Jetzt ist es aber bald soweit – und zwar am 22. Juni. Ist 60 für Sie eine schöne Zahl?

 Wir haben die Zahl in der Neuaufnahme heimlich auf 70 geändert. 60 ist kein besonders junges Alter, aber eines, das ich anzunehmen habe. All die Jahre davor waren verdammt gut. Und so stehe ich vor einer Wegkreuzung, die jeder überschreiten muss, der das Glück hat, so alt zu werden. Eigentlich wollte ich „Das Wort zum Sonntag“ zu diesem Anlass umschreiben, aber der Song bringt es alles auf den Punkt. Lieber nuschele ich als Kompromiss noch eine Sieben ins Mikrofon. 70 ist die neue 60. Schauen wir mal, wie es in fünf Jahren aussieht.