Verdi plant, auch in Mettmann gegen verkaufsoffene Sonntage zu klagen

Mettmann · Der Fall hat in Deutschland für Aufsehen gesorgt: Das Verwaltungsgericht Münster hat per einstweiliger Anordnung den verkaufsoffenen Sonntag in der dortigen Innenstadt anlässlich des Weihnachtsmarktes gekippt und das bis einschließlich 2019.

 Der verkaufsoffene Sonntag in Mettmann während des Ritterfests vor zwei Wochen.

Der verkaufsoffene Sonntag in Mettmann während des Ritterfests vor zwei Wochen.

Foto: Jonas Speck

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatte gegen die Sonntagsöffnung im Advent ebenso wie gegen weitere verkaufsoffene Sonntage geklagt - und bereits vier Mal zuvor recht bekommen. In Münster reichte selbst der bekannte und beliebte Weihnachtsmarkt nicht als Grund für einen verkaufsoffenen Sonntag aus. "Im aktuellen Eilverfahren bemängelte das Verwaltungsgericht die unzureichende Besucher-Pro­gnose durch die Stadt Münster: Es sei in der Verordnung nicht dargelegt worden, dass die Weihnachtsmärkte in der Innenstadt für sich genommen mehr Publikum anlockten als gleichzeitig geöffnete Geschäfte, so der Tenor", schreiben die Westfälischen Nachrichten zum Münsteraner Fall.

Das Schaufenster Mettmann hat sich mit Daniel Kolle, dem Bezirksgeschäftsführer des Verdi-Bezirks Wuppertal-Niederberg unterhalten, der auch für den Kreis Mettmann zuständig ist.

Ist auch im Kreis eine Klage geplant?

Ja. Derzeit sind neben den noch offenen Verfahren in Velbert und Wülfrath noch Klagen in Haan und Mettmann wahrscheinlich. Haan wird noch dieses Jahr realisiert. Wuppertal wird wohl 2016 und 2017 keine verkaufsoffenen Sonntage haben.

Was verspricht sich Verdi von diesen Klagen bzw. warum machen Sie das?

Ziel der Klagen ist die Prüfung der Vereinbarkeit städtischer Satzungen und Verordnungen zu Sonntagsöffnungen mit den Vorgaben des Ladenöffnungsgesetzes NRW und der aktuellen Rechtsprechung. Wir versprechen uns davon die Aussetzung offensichtlich rechtswidriger Verordnungen und Satzungen, die dem Gebot des Sonn- und Feiertagsschutzes nicht gerecht werden. Wir haben nun endlich das Recht zu klagen, ob Normen eingehalten werden. Die schwarz-gelbe Landesregierung beschränkte uns auf die Rolle des Kommentierers. Uns waren die Hände gebunden, schon da geltendes Recht durchzusetzen. Das ist jetzt anders.

Die Mettmanner Einzelhändler sind durch diverse Baustellen und andere lokale Gegebenheiten arg gebeutelt. Was sagen Sie denen denn, die von Arbeitsplatzsicherung sprechen bzw. von fehlenden Umsätzen?

Das sind Dinge, die wir nicht lenken können, da gilt der Leitspruch "C'est la vie". Die Verbraucher können andererseits den Euro auch nur einmal ausgeben und die Umsätze bleiben konstant, ob nun am Sonntag oder in der Woche. Eine Reallohnsteigerung bei den Menschen würde den Konsum anstoßen und nicht, ob an einem Sonntag mehr oder weniger geöffnet ist.

Sie möchten die Angestellten schützen, gilt nicht aber auch der Umkehrschluss, dass die Angestellten Boni oder Prämien ausgezahlt bekommen, wenn sie sonntags arbeiten?

Dieser Umkehrschluss gilt mangels einer flächendeckenden Tarifbindung nicht. Nur ca. 10 Prozent der Kolleginnen und Kollegen kommen überhaupt in den Genuss von Überstundenvergütungen und Zuschlägen. Im Übrigen gilt der Grundsatz: Gesundheit bleibt unbezahlbar.

Hier in Mettmann ist kaum jemand im Handel bei Verdi organisiert, wessen Interessen vertreten Sie dann?

Mir ist nicht klar, wie sie zu dieser Einschätzung kommen. Wir vertreten 1.500 Beschäftigte nur im Einzelhandel im Kreisgebiet. Mit unserer Arbeit in der Allianz für den arbeitsfreien Sonntag vertreten wir darüber hinaus politisch die Interessen aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Andererseits gibt es auch Einzelhändler, die den Sinn von diesen Sonntagen in Frage stellen. Ist ein verkaufsoffener Sonntag noch zeitgemäß?

Nein. Verkaufsoffene Sonntage sind für die meisten Einzelhändler mit hohen Kosten und enormen Aufwand verbunden. Viele Einzelhändler wären daher froh, so zahlreiche Rückmeldungen, wenn verkaufsoffene Sonntage völlig abgeschafft würden. Dies entspräche im Übrigen auch dem Zeitgeist und der Forderung nach Entschleunigung, Nachhaltigkeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und sozialer Verantwortung und Teilhabe.

In Mettmann handelt sich um vier Sonntage im Jahr, unter anderem auch der am bekannten Blotschenmarkt. Ein fehlender verkaufsoffener Sonntag wäre da schon schwer zu verkraften im Vorweihnachtsgeschäft.

Wir werden uns den Blotschenmarkt in diesem Jahr genau anschauen, wobei die Weihnachtsmärkte nicht immer rechtswidrig sind wie andere Anlässe für den verkaufsoffenen Sonntag. Da werden Anlässe aus dem Hut gezaubert. Ein Beispiel: In Wülfrath wird eine Autoschau von ein paar lokalen Autohändlern als Anlass für einen verkaufsoffenen Sonntag genommen. Das Bundesverfassungsgericht hat am 11. November 2015 geurteilt, dass die Sonntagsöffnung aus Anlass eines Marktes nach § 14 Abs. 1 LadSchlG nur zulässig ist, wenn die prägende Wirkung des Marktes für den öffentlichen Charakter des Tages gegenüber der typisch werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung überwiegt. Das setzt voraus, dass die Ladenöffnung in engem räumlichen Bezug zum konkreten Marktgeschehen steht und prognostiziert werden kann, dass der Markt für sich genommen einen beträchtlichen Besucherstrom anzieht, der die bei einer alleinigen Öffnung der Verkaufsstellen zu erwartende Zahl der Ladenbesucher übersteigt. Die Städte müssen beweisen, dass dem so ist, mit Zahlenwerken oder auch Kundenbefragungen.

Also ist für Sie der verkaufsoffene Sonntag - wenn überhaupt - nur eine Ausnahme?

Der Sonntag ist frei, da gibt es eine ganz enge rechtliche Basis. Der Sonntag ist für die Kultur, die Erholung, die Besinnlichkeit und die Familie da. Dafür gibt es dann die Ausnahmen der sogenannten "Arbeit für den Sonntag", etwa in Kulturbetrieben, die ist anerkannt. Doch der Mißbrauch der Sonntagsarbeit darf nicht sein. Wohin das führen kann, haben schon Call-Center, die Post oder Paketdienste gezeigt, die versucht haben, das Ganze auszuhebeln. Das lassen wir nicht einreißen.

(Schaufenster Mettmann/Felix Förster)
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