Im Portrait Sieben Jahre auf engstem Raum

Mettmann · Shirinbaci und Aydaz Mammadov leben mit ihren drei Kindern und einem Bruder des Ehemannes in drangvoller Enge in einer Unterkunft für Flüchtlinge an der Danziger Straße. Nach sieben Jahren wollen sie vor allem eines: endlich raus da.

 Das Ehepaar Mammadov lebt seit sieben Jahren in einer Flüchtlingsunterkunft in Mettmann. Die beiden haben auf Wunsch des Fotografen kurz ihre Mund-Nasen-Bedeckung abgenommen und nach dem Foto wieder aufgesetzt, denn natürlich herrscht auf dem Jubiläumsplatz derzeit Maskenpflicht.

Das Ehepaar Mammadov lebt seit sieben Jahren in einer Flüchtlingsunterkunft in Mettmann. Die beiden haben auf Wunsch des Fotografen kurz ihre Mund-Nasen-Bedeckung abgenommen und nach dem Foto wieder aufgesetzt, denn natürlich herrscht auf dem Jubiläumsplatz derzeit Maskenpflicht.

Foto: D. Herrmann

Sechs Menschen auf 52 Quadratmetern. Das ist ohnehin schon problematisch, aber in Zeiten der Pandemie zerrt es noch stärker an den Nerven und gerät es zum veritablen Stresstest für die Familie Mammadov. „Da würde jeder andere im Dreieck springen“, sagt Martin Sahler, Abteilungsleiter Integration bei der Caritas. Im Jahr 2014 flohen Schirinbaci Mammadova und ihr Mann Aydaz Mammadov als politische Verfolgte mit ihren zwei Söhnen aus Baku in Aserbaidschan über Georgien und Ungarn nach Deutschland. Am 20. September kamen sie in Düsseldorf an und landeten nach Stationen in Bielefeld und Schöppingen schließlich in Mettmann. Seither leben sie in der Unterkunft an der Danziger Straße. 2018 bekamen sie ein drittes Kind, wieder ein Sohn. Und auch der Bruder des Ehemannes lebt mit in der 52 Quadratmeter messenden Wohnung.

„Die Unterkunft ist ein städtisches Übergangshaus“, erläutert Martin Sahler, „immerhin hat hier jede Wohnung ein eigenes Bad, aber das Leben findet auf engstem Raum statt.“ Immer mal wieder gebe es Probleme mit Feuchtigkeit und Schimmel. Darüber hinaus müssten sich rund dreißig Bewohner zwei Waschmaschinen teilen, was allein schon ein organisatorischer Kraftakt sei und nicht selten zu Streitereien führe. Besonders die Kinder leiden unter der Situation. „Es gibt kaum Spielmöglichkeiten, Freunde können nicht eingeladen werden, weil wir keinen Platz haben“, erzählt Schirinbaci Mammadov.  Als die Familie positiv auf das Corona-Virus getestet wurde, durfte sie die Wohnung drei Wochen nicht verlassen, eine Zeit, die ihnen alles abverlangt hat. Die beiden älteren Jungs sind acht und dreizehn Jahre alt, gehen also zur Schule. Homeschooling findet am Esstisch statt – mit dem Handy, ein Laptop steht nicht zur Verfügung.

Zwar gibt es W-Lan, doch das funktioniert nicht immer wie gewünscht. „Die Stadt ist da dran“, sagt Martin Sahler, „ich hoffe, das klappt bald besser.“ Auch für die Anschaffung  eines Laptops wurde Geld in Aussicht gestellt: 350 Euro.  Dennoch: Schirinbaci Mammadov macht sich Sorgen, dass ihre Kinder den Anschluss verlieren könnten. Sie selbst absolviert derzeit eine Ausbildung zur Pflegefachkraft, befindet sich im dritten Jahr. Bald stehen die ersten Prüfungen an. Auch sie muss lernen, muss sich konzentrieren und an Online-Schulungen teilnehmen. Dafür bräuchte sie dringend Ruhe, einen Rückzugsort, doch den hat sie nicht.

Das Schicksal ihrer Familie lastet ganz maßgeblich auf den Schultern der Mutter. Schirinbaci Mammadov hat eine sogenannte Ausbildungsduldung, ein Status, der erlischt, wenn sie die Ausbildung nicht abschließt. Eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis für sie und ihre Familie gibt es nur im Erfolgsfalle, sprich: abgeschlossene Ausbildung und anschließende Anstellung. Immerhin, die Aussichten, dass sie es schafft sind gut. Bei der Arbeit im Altenstift bewährt sie sich jeden Tag aufs Neue, sie ist beliebt bei Personal und Bewohnern und auch ihre Noten im begleitenden Unterricht sind gut.

„Ich bin sehr motiviert“, sagt sie. Was bleibt, ist das Wohnungsproblem, denn im Duldungsstatus ist ein Umzug eigentlich nicht vorgesehen. Allerdings, sagt Martin Sahler, gebe es da einen Ermessensspielraum, das letzte Wort habe die zuständige Verwaltung. Erschwerend hinzu komme in Mettmann jedoch, dass es an entsprechendem Wohnraum mangele: „Wir haben in Mettmann zu wenig öffentlich geförderte und zu wenig preiswerte Wohnungen generell.“

Immerhin will die Stadt nun bis November an einem Maßnahmenkatalog arbeiten, um unter anderem die Situation in den Unterkünften zu entzerren, die Caritas soll dabei  eingebunden werden und finanzielle Unterstützung erhalten.

„Das ist auf jeden Fall ein guter Anfang“, sagt Martin Sahler. Er würde sich aber wünschen, dass auch stärker auf den Einzelfall geschaut wird. Das sieht auch Reza Moshref so, Sozialarbeiter in der Flüchtlingsberatung der Caritas und seit Jahren Begleiter der Mammadovs. Er sieht, wie die Familie unter der Wohnsituation leidet. „Sie sind jetzt am längsten von allen in dieser Unterkunft“, erzählt er, „da entsteht irgendwann einfach Frust.“ Dabei tue die Familie alles, um eine Perspektive zu haben. Reza Moshref: „Sie geht arbeiten, er kümmert sich um die Kinder. Sie wollen unbedingt, aber das Leben wird ihnen unnötig schwer gemacht. Es wäre schöner, wenn sie mal für ihren Einsatz belohnt würden.“

(dir)
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