Eine Zeitzeugin des SED-Regimes berichtet "Es ist wichtig, dass diese Geschichten der damaligen zweiten Diktatur immer wieder erzählt werden"

Mettmann · Regina Labahn hat eine bewegte Vergangenheit. Die Rentnerin saß zwei Jahre aus unfassbaren Gründen im Frauchenzuchthaus der DDR in Hoheneck. Über diese schlimme Zeit der Ungerechtigkeit und Verfolgung berichtete die heute in Wülfrath lebende Zeitzeugin beim Stammtisch des Bürgervereins Metzkausen.

 Regina Labahn saß zwei Jahre im DDR-Frauengefängnis in Hoheneck.

Regina Labahn saß zwei Jahre im DDR-Frauengefängnis in Hoheneck.

Foto: TB

Noch heute leidet Regina Labahn an den Spätfolgen ihrer Inhaftierung. "Helfen kann mir aber niemand. Kein Psychologe hat sich je mit dem Thema der zweiten Diktatur beschäftigt", sagt sie. Mit 34 Mörderinnen und einer Frau, die wegen Veruntreuung einsaß, teilte sich die dreifache Mutter eine Zelle. Ihre Kinder waren bereits zwei Jahre zuvor in ein Kinderheim gekommen und auch der geliebte Ehemann saß hinter Gittern. "Wir saßen ein, weil wir unzufrieden mit den Lebensumständen in der DDR waren und einen Ausreiseantrag gestellt hatten." Mehrfach wurde der jungen Familie unter Drohungen angeraten, den Antrag zurückzunehmen. "Wir haben zu der Zeit auf der Insel Usedom gelebt. Die Gemeindevertreter vor Ort haben unsere Wohnung zerstört und alles auf den Müll geschmissen. Wir standen vor dem Nichts. Laut einer Studie war jeder zweite DDR- Bürger ein inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit."

Zuflucht suchten sie und ihr Mann in der evangelischen Kirchengemeinde. Die Kinder waren zu der Zeit bereits im Kinderheim. Hilfe versprach sich das verzweifelte Paar von der Kirchenleitung. Ein Brief wurde vordiktiert. "Das war unser Ende. Einen Tag später wurden wir verhaftet und in Untersuchungshaft gesteckt." Eine lange Leidensgeschichte begann damit. Regina Labahn erinnert sich noch gut daran, wie die Vernehmer mit ihr umgegangen sind. "Heute würde man sagen, ich sprach mal mit einem guten, mal mit einem schlechten Cop."

Das Urteil stand da jedoch bereits fest, bevor sie auch nur einen Richter Gesicht bekamen. "Als wir dann doch noch im Gericht saßen, kam ein sturzbetrunkener Richter auf uns zu. Meine Aussage, dass ich mich von so einem Mann nicht verurteilen lasse, brachte meinem Mann und mir ein halbes Jahr längere Inhaftierung ein." Gab es in der Untersuchungshaft noch blaue Trainingsanzüge, gestreifte Hausschuhe und eine warme Zelle, musste die junge Mutter in der Zuchtanstalt Hoheneck auf Rudimentäres wie diese Dinge völlig verzichten. Dreistöckige Betten, kein Tisch oder Schrank und ein einziger Waschraum für 36 Frauen, das war der Haftalltag.

"Das war für mich ein Schock. Bis dahin war mir nicht bewusst, dass es Mörderinnen überhaupt gibt. Darüber wurde in der DDR nicht gesprochen. Jetzt lag ich neben Frauen, die ihre Kinder durch den Fleischwolf gedreht oder den Mann zerstückelt hatten." Auch die Duschanlagen erinnerten Regina Labahn eher an Gaszellen. "Ich hatte wirklich Angst, dass Gas anstatt Wasser aus dem Duschkopf kommt." Mit eindrucksvollen Bildern schildert die Zeitzeugin den anwesenden Mitgliedern die Zustände des damaligen Zuchthauses. Ein Ort, der auch Jahre später noch für Schockmomente sorgte. "Im Jahr 1991 wurden bei einer Begehung des Gebäudes 100 Urnen auf dem Dachboden gefunden, die man nur teilweise zuordnen konnte. Eine damalige Schließerin war sich sicher, dass diese Damen - es waren zum Teil auch Kinder - ihre Zeit wohl noch nicht abgesessen hatten."

Einzig der Gedanke an West-Berlin und ein Leben in Freiheit verlieh Regina Labahn in dieser schweren Zeit Kraft. Heute hilft es ihr, darüber zu sprechen. Einmal im Jahr besucht sie als Vorsitzende des Frauenkreises der ehemaligen Hoheneckerinnen das ehemalige Zuchthaus, bietet Zeitzeugengespräche an. "Wir helfen uns als Geschädigte untereinander, tauschen uns aus und bieten uns Stütze."

Nach ihrer Freilassung folgte unverzüglich die Ausreise. In West-Berlin wurde sie Altenpflegerin. "Ich gab diesen Beruf aber für meine Kinder wieder auf. Fünf Jahre habe ich meine Kinder nicht sehen dürfen, da brauchten wir einfach mehr Zeit, um wieder zusammenzuwachsen." Der Arbeit wegen zog die Familie wenig später nach Wülfrath, vergessen wird die Vergangenheit aber niemals. "Es ist wichtig, dass diese Geschichten der damaligen zweiten Diktatur immer wieder erzählt werden, damit es nicht wieder passiert."

(Schaufenster Mettmann/TB)
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