Ein Interview mit Design-Experte Norber Küpper über Wahlwerbung „Wahlplakate zur Europawahl oft schwer verständlich“

Kreis · Wir sprachen mit dem renommierten Design-Experten Norbert Küpper über die Wahlplakate zur Europawahl.

Die Wahlwerbung unter der Lupe
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Die Wahlwerbung unter der Lupe

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Foto: P. Käding

Die Europawahl am 26. Mai steht an. Seit Wochen hängen an gefühlt jeder zweiten Ecke Wahlplakate. Doch fallen die Plakate überhaupt auf? Sind die Motive und Inhalte gut gewählt. Norbert Küpper schildert uns seine Sicht der Dinge.

Was sagen Sie zu den aktuellen Wahlmotiven?

„Es wird seit vielen Jahren kritisiert, dass die Wahlplakate einfallslos sind. Das ist auch in diesem Jahr der Fall. Bei den letzten Bundestagswahlen ist nur FDP-Mann Christian Lindner aufgefallen, weil bei seinen Plakaten schwarz-weiß und ungewöhnliche Motive gewählt wurden. Die Kampagne bleibt in Erinnerung und war im Netz umstritten. Selbst die Persiflagen passen in die Serie. Die Plakate zur diejährigen Europawahl dagegen bleiben kaum in Erinnerung.“

Warum macht man überhaupt Plakatwerbung?

„Plakate an den Ein- und Ausfallstraßen und den großen, öffentlichen Plätzen machen zunächst einmal darauf aufmerksam, dass es überhaupt eine Europawahl gibt. Wenn es keine Plakate gäbe, hätte man die Chance verpasst, die Wähler darauf aufmerksam zu machen und zu aktivieren, zur Wahl zu gehen. Bei Europawahlen fehlen oft die Themen, so mein Eindruck. Die Parteien beschränken sich darauf, mitzuteilen, dass sie im Europäischen Parlament sind und dass man sie wählen soll, am besten so, wie im Bundestag. Darum tauchen auf den Plakaten auch oft die Vorsitzenden der Parteien auf, die aber eigentlich nicht für das Europäische Parlament kandidieren.“

Wer entwickelt die Kampagnen - Agenturen?

„Woher kommen die Botschaften, die transportiert werden sollen, und wie werden sie mit Slogans und Bildmotiven zusammengebracht? Die Kampagnen werden von Agenturen in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Parteien entwickelt. Oft gehen die Motive auf Umfragen zurück. Man ermittelt, welche Erwartungen Wähler an eine Partei haben und versucht dann, diese in Plakatmotiven und Slogans zu erfüllen. Meist ist es eine Serie von Plakaten, die nach und nach veröffentlicht wird. Die letzten Motive können noch in der Schlussphase des Wahlkampfs gestaltet und plakatiert werden, etwa um dem politischen Gegner Argumente entgegen zu setzen oder um auf aktuelle Entwicklungen eingehen zu können.

Eine Agentur braucht ein Briefing, eine Vorgabe, um etwas entwerfen zu können. Dieser Rahmen einer Kampagne kommt von der jeweiligen Partei oder wird zusammen mit der Agentur entwickelt. Die Kombination von Slogans und Bildmotiven wird von den Agenturen geliefert und von den Parteien genehmigt - oder nicht genehmigt und dann eben so lange korrigert, bis der Kunde zufrieden ist. Darum liefern Agenturen meist viele Varianten von Motiven und Slogans, damit der Kunde auswählen kann und eine Strategie aus der Plakatserie sichtbar wird.“

Ihrer Einschätzung nach: Werden Wahlplakate immer floskelhafter, austauschbarer - oder wie ist die Entwicklung?

„Die Qualität der Wahlplakate wird seit vielen Jahrzehnten kritisert. Einfallslos, austauschbar sind die Stichworte. In der Tat sind mir nicht viele Plakate in Erinnerung. In den 70er Jahren gab es ein Plakat von Klaus Staeck, einem berühmten Gestalter von politischen Plakaten. Der Slogan war: ‚Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen!’ Das war natürlich absurd. Darum fiel diese Werbung auf und man erinnert sich daran. Ein anderes Motiv, das ich vor einigen Jahren in Düsseldorf sah, zeigte ein Porträtbild von Sahra Wagenknecht mit dem Slogan: ‚Reichtum für Alle!’ Es war von der Partei Die Linke. Ein wirklich lustiger Slogan, der leider nicht von vielen Wählern geglaubt wurde.“

Helfen die Plakate Ihrer Einschätzung nach dem Bürger bei der Entscheidung vor der Wahl?

„Bei der derzeitigen Wahl versuchen die Parteien, ihr Image auf den Plakaten zu zeigen. Das geschieht durch Farben, Typografie und die Kombination von Slogan und Bild. Ja, die Plakatwerbung ist als Aktivierung sinnvoll und dient zur Profilierung der jeweiligen Partei.“

Fazit: „Die Plakatmotive unterscheiden sich mehr als man auf den ersten Blick denkt. Das Problem ist: Plakate müssen sehr schnell erfassbar sein. Das sind viele der Wahlplakate nicht. Es sind oft zu viele Gedankengänge beim Betrachter nötig, um den Kern der Aussage zu verstehen. Manches bleibt dann auch rätselhaft.“

Zur Person: Norbert Küpper ist Spezialist für Zeitungs- und Zeitschriftendesign. Er hatte viele Jahre einen Lehrauftrag an der Fachhochschule Düsseldorf und wird zu Vorträgen an Hochschulen eingeladen. Im Februar war er z.B. an der ZHdK - Züricher Hochschule der Künste - und Mitte April bei einer Tagung des Instituts für Zeitungsforschung in Dortmund. Er hat auch mehrmals unser Anzeigenblatt bei der Gestaltung beraten. zu seinem Arbeitsgebiet zählt die Erforschung des Leserverhaltens mit einer BlickaufzeichnungsKamera

(P. Käding)
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