Metzkausener Partygäste sprechen von "eskalierendem" Einsatz der Polizei Ein Polizeieinsatz wirft viele Fragen auf

Mettmann · Zehn junge Menschen in Mettmann haben das Vertrauen in die Polizei als "Freund und Helfer" verloren. Inzwischen haben sie einen Rechtsbeistand beauftragt. Mit Rücksicht auf die Betroffenen verzichten wir auf die Nennung von Namen.

 Mehrere Polizeiwagen rückten Ende Oktober in Metzkausen aus.

Mehrere Polizeiwagen rückten Ende Oktober in Metzkausen aus.

Foto: Symbolbild: TechLine/Pixabay

Es sollte eine richtig schöne Geburtstagsfeier am 20. Oktober werden. Eine seit einem Jahr als Hobby-Werkstatt in einem Mischgebiet (Wohnbebauung, Lagerhallen und Handwerksbetriebe) angemietete Halle wurde mit Bierzeltgarnituren zum Party-Raum umfunktioniert. 30 Gäste waren eingeladen. Der überwiegende Teil Mitte bis Ende 20. Offensichtlich fühlte sich laut Aussage der jungen Leute ein Anwohner von der Musik, die aus einer "klein dimensionierten Musikanlage" der Werkstatthalle kam, gestört. Zu späterer Uhrzeit stand laut der Schilderung der jungen Leute die Polizei vor der Tür, um höflich zu mehr Ruhe aufzufordern. Die Musik wurde gedrosselt, aber eine Stunde später fuhr ein anderer Polizeiwagen vor. Die vor der Tür stehenden Gäste versprachen, leiser zu sein und nicht mehr laut redend vor der Tür zu stehen. Im Inneren bekamen viele von den beiden Polizeibesuchen nichts mit.

Um 3.45 Uhr saßen noch zehn Gäste zusammen. Die Feier neigte sich bereits dem Ende zu, als erneut Polizei vorfuhr. Diesmal kamen zwei Streifenwagen. Einer der Polizisten, die schon einmal vor Ort waren, spricht einen vor der Tür stehenden jungen Mann an: "Es tut mir leid, aber wir sind jetzt zum dritten Mal hier und müssen die Party auflösen". Der junge Mann antwortet: "In Ordnung. Lassen sie mir fünf Minuten, damit alle ihre Sachen nehmen können", aber ein Polizist des zweiten Einsatzwagens antwortet knapp: "Nein" und betritt an ihm vorbei die Halle und ruft laut: "Ihr steht jetzt alle auf und verpisst Euch". Spontan reagiert ein Partygast auf den beleidigenden Ton mit der Antwort: "So schon mal gar nicht", worauf die Gegenantwort lautet: "Du Vogel stehst jetzt auf und verpisst Dich". Die jungen Leute sind laut eigener Aussagen "mehr als irritiert" über das Auftreten des Polizisten und die fehlende Deeskalation der Kollegen. Der Versuch, das zu hinterfragen, führt, ohne dass einer der Gäste die Polizei auch nur versuchsweise körperlich angegriffen oder bedroht habe, zu einer unbeschreiblichen Eskalation mit mehreren verletzten Partygästen, acht Streifenwagen und einer zusätzlichen Hundestaffel vor Ort. Glück im Unglück hatten die Gäste, als einer der Polizeihunde sich seiner Führerin entriss. Es kam dadurch zu keinen weiteren Verletzungen bei den Gästen.

Eine Pressemeldung der Polizei mit der Überschrift "Party in Metzkausen läuft völlig aus dem Ruder" hat uns mit den Betroffenen zusammengeführt. Fünf Betroffene, die wir als gebildete, junge Menschen erleben, haben uns ihre Version des Polizeieinsatzes erzählt und uns Videoaufnahmen gezeigt, die ihre Worte belegen. Es sind unglaubliche Bilder. Ein Polizist sprüht einer zierlichen jungen Frau aus ca. 1,50 Meter Entfernung Pfefferspray in die Augen. Ein junger Mann sitzt in einem Haufen Glasscherben. Eine Polizistin schiebt diese hörbar mit den Füßen zur Seite, aber der junge Mann ist längst am Oberschenkel verletzt, denn zuvor hatte man ihn genau an dieser Stelle mit dem Gesicht zu Boden auf den Glasscherben fixiert. Auf den Videos ist auch der Schlagstock zu sehen, mit dem einer der Partygäste laut Angaben der Gäste Bekanntschaft gemacht habe. Ein weiteres Video, auf dem ein junger Mann von zwei Polizisten gehalten und von einem dritten mit verstärktem Polizeihandschuh ins Gesicht geschlagen werde, habe laut der Aussage der jungen Leute ein Polizist vor Ort gelöscht. Der geschlagene junge Mann habe sich zuvor verabschiedet, als zwei Polizisten ihm nacheilen und ihn zurückholen.

Einen Rettungswagen riefen die Beamten laut der jungen Leute erst hinzu, als einige Gäste auf die unterlassene Hilfeleistung hinwiesen. Behandeln lassen durfte sich nur die junge Frau, die wegen des Pfeffersprays nichts mehr sehen konnte, obwohl es weitere Verletzte gab. Den zuvor in den Glasscherben fixierten jungen Mann schickten die Beamten mit dem Hinweis, dass sei nicht so schlimm - ohne auch nur seine Personalien aufzunehmen - nach Hause. Die Ärzte, die ihn anschließend im Krankhaus behandelten, kamen zu einer anderen Einschätzung und wollten die Schnittwunde nähen. Personalien nahm man von den wenigsten Gästen auf. Als die jungen Leute die Dienstausweise der aggressiv auftretenden Polizisten sehen wollten, hatten diese angeblich keine dabei. Nur widerwillig nannten die Polizisten auf Nachfrage Namen. Zwei der jungen Männer, darunter der mit dem Handschuh geschlagene und stark blutende, wurden mit auf die Wache genommen. Ein Grund wurde ihnen in diesem Moment nicht mitgeteilt. Während in der Halle von der Polizei nur ein Alkoholtest bei einem jungen Mann gemacht wurde und dieser, trotz 1,6 Promille, unbehelligt nach Hause gehen durfte, wurden bei den beiden in Gewahrsam genommenen erst auf der Wache ein Alkoholtest gemacht. Der von Polizisten geschlagene junge Mann hatte 0,7 Promille. Mit je zwei Polizistinnen und zwei Polizisten im Raum befahl man ihm nach eigenen Angaben, sich auszuziehen. Nicht einmal die Unterwäsche durfte er anbehalten. Er bat darum, wenigstens einem Arzt vorgeführt zu werden, aber bis zu seiner Entlassung um 6.30 Uhr, die mit den Worten "Da ist die Tür" erfolgte, wurde diese Bitte nicht erfüllt. Den Arzt hat nur noch sein Freund gesehen, der aufgrund des höheren Promillewerts noch bis etwa 11 Uhr auf der Wache festgehalten wurde.

In der Pressemitteilung der Polizei liest sich der Verlauf des Einsatzes deutlich anders. Dort heißt es unter anderem: "Als ein 23-jähriger Mettmanner schließlich mit einer glühenden Zigarette aggressiv gestikulierend auf einen Beamten zuging, wurde dieser überwältigt. Während die Beamten den Mann am Boden fixierten, versuchten weitere Gäste den 23-Jährigen aus den Fesseln der Beamten zu befreien." Eines der Videos zeigt, wie sich der 23-Jährige mit den Polizisten unterhält. Eine Zigarette hielt er dabei wohl in der Hand, aber aus der lockeren Haltung des ihm gegenüberstehenden Polizisten ist abzulesen, dass es keine Gefahrensituation gab, die zum plötzlichen Ergreifen und Fixieren des jungen Mannes hätte führen müssen. Weiter heißt es in der Pressemeldung: "Der 23-jährige Hauptbeschuldigte, der ebenfalls stark alkoholisiert war (1,5) Promille sowie ein 26-jähriger (0,7 Promille) wurden zur Verhinderung weiterer Straftaten ins polizeiliche Gewahrsam nach Mettmann gebracht. Auf Anordnung der zuständigen Richterin ordnete sie die Maßnahme bis zur Ausnüchterung an."

Seitens der Polizei wurden den jungen Männern Anzeigen wegen Ruhestörung, Beleidigung und Widerstand gegen Beamte angekündigt, die zum Zeitpunkt unseres Gesprächs auch drei Wochen später noch nicht vorlagen. Die jungen Leute haben sich jedoch ihrerseits dazu entschieden, dieses Vorgehen nicht so hinzunehmen und haben sich einen Rechtsbeistand gesucht. Eine Anzeige wegen Polizeigewalt dort zu erstatten, von wo die Polizisten kamen, trauten sie sich nicht. "Ich kann seit diesem Abend nicht mehr allein sein", sagt uns die mit Pfefferspray geschädigte junge Frau. Der geschlagene und auf der Polizeiwache gedemütigte junge Mann gesteht, dass er nun eher Angstgefühle verspüre, wenn er Polizisten sehe. Der Rechtsbeistand der jungen Leute hat inzwischen die Polizeiakte angefordert.

Wir haben nach unserem Gespräch mit den Betroffenen die Pressestelle der Polizei um eine Stellungnahme gebeten. Laut aktuellem Kenntnisstand stelle sich die Sachlage für die Polizei anders dar bzw. so, wie in der ursprünglichen Pressemitteilung veröffentlicht. Die Beschuldigten seien inzwischen vorgeladen, aufgrund des laufenden Verfahrens könnten jedoch keine näheren Auskünfte erteilt werden, so die Pressestelle der Mettmanner Polizei.

(Schaufenster Mettmann/RG/FF)
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