Bürgermeisterin Sandra Pietschmann im Interview „Wir haben ein hohes Tempo“

Mettmann · Seit gut zweieinhalb Jahren amtiert Sandra Pietschmann nun als Bürgermeisterin. Zeit für eine Halbzeitbilanz. Im Interview mit dem Schaufenster spricht sie über große Herausforderungen, schmerzhafte Notwendigkeiten und persönliche Resilienz.

Bürgermeisterin Sandra Pietschmann im Interview.

Bürgermeisterin Sandra Pietschmann im Interview.

Foto: Stadt Mettmann

Den Urlaub habe sie wirklich nötig gehabt, erzählt sie. Zwei Wochen radelte die Bürgermeisterin  mit ihrem Mann Wolfgang über die Ile de Ré, ein idyllisches Eiland an der französischen Atlantikküste – perfekt, um den Kopf frei zu kriegen. Nun hat der Alltag sie wieder und der besteht aus Terminen, Sitzungen, Gesprächen, Verhandlungen und Entscheidungen, schmerzhaften Entscheidungen mitunter. „Wir hatten im letzten halben Jahr ein sehr hohes Tempo, haben viel erarbeitet und beschlossen“, sagt Sandra Pietschmann. Und sie hat nicht vor, jetzt auf die Bremse zu treten.

Frau Pietschmann, etwas mehr als die Hälfte Ihrer Amtszeit ist nun vorbei. Es waren turbulente zweieinhalb Jahre. Wie oft haben Sie sich gefragt: Warum tue ich mir das eigentlich an?

Sandra Pietschmann: Gar nicht. Mir bereitet es Freude für diese Stadt zu arbeiten und Dinge zukunftsorientiert voran zu bringen. Diese Frage höre ich aber nicht zum ersten Mal.

Sie mussten eine Menge Kritik einstecken, in den sozialen Medien ging es teilweise hoch her. Einige Einlassungen wurden persönlich. Wie gehen Sie damit um?

Kritik ist legitim und erwünscht. Schade ist es, wenn diese in verletzende Kommentare mündet. Da braucht es Resilienz und die habe ich. Ich stehe dafür, bei Diskussionen jederzeit einen fairen Umgang zu pflegen und die Verhältnismäßigkeit zu wahren.

Ein wiederkehrender Vorwurf lautet: mangelnde Transparenz auf Seiten der Verwaltung.

Kommunikation kann immer verbessert werden. Vieles haben wir schon verändert, um möglichst große Transparenz zu schaffen. Diesen Weg gehen wir konsequent weiter. Es gibt ein Bürgerportal, einen Newsletter, Informationsveranstaltungen und Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger. Ich selbst biete regelmäßig auch auf dem Markt ein meet & talk an und bin ansprechbar. Zahlreiche Anfragen der Fraktionen werden sehr umfangreich beantwortet. Richtig ist aber auch, dass die Verwaltung nicht mit allen Informationen nach draußen gehen kann bzw. von Gesetzeswegen darf. Es gibt Dinge, die müssen nach wie vor intern bleiben. Hierzu gehören auch alle Belange der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung mbH, die sich seit Jahrzehnten mit Grundstücksgeschäften beschäftigt.

Dabei ist der Erklärungsbedarf in diesen Tagen besonders hoch, weil so viel passiert.

Lange wurde der Verwaltung vorgeworfen, sie sei zu langsam. Das hat sich mittlerweile ins Gegenteil verkehrt. Nun kommt vieles schnell und geballt. Für manchen vielleicht zu schnell. Es gibt einfach sehr viel aufzuholen und viel Neues umzusetzen.

An welchen Stellen konnten Sie denn bislang aufholen?

Im Bereich Digitalisierung zum Beispiel. Die ganze Stadt bekommt Glasfaser. Die Verwaltung wurde mit neuer Hard- und Software ausgerüstet, auch mobiles Arbeiten ist jetzt möglich. Die nächsten wichtigen Schritte werden die Einführung des Dokumentenmanagementsystems sein, die E-Akte und die ERechnungen. Künftig werden die Menschen in Mettmann auch mehr Online-Dienstleistungen von der Stadt in Anspruch nehmen können.

Zu den Mammut-Projekten in Mettmann zählt der Umbau der Schullandschaft. Ein Masterplan sollte her. Wie weit ist der gediehen?

Den Masterplan Schule werden wir im September der Politik vorstellen und am 19. September gibt es eine Info-Veranstaltung dazu. Dabei handelt es sich um ein Konzept für die nächsten 10 bis 15 Jahre. Es geht darum, den aktuellen Zustand der Schulen zu vergleichen mit dem Zustand, den wir anstreben. Der Masterplan zeigt die Differenz auf. Dort, wo die Lücke am größten ist, werden wir zuerst tätig. Dabei könnte es auch die eine oder andere Überraschung geben.

Apropos Überraschung: Für die Gesamtschule wurde ja erst kürzlich ein neuer Standort quasi aus dem Hut gezaubert. Die Stadt hat 13 Hektar Fläche in der Kirchendelle erworben.

Das ist ein echter Glücksfall. Und nicht nur, was die Gesamtschule anbelangt, sondern auch für die so wichtige Flächenbevorratung, die ebenfalls lange vernachlässigt wurde.

Es herrscht Sorge, die unter anderem vom Bürgerverein Metzkausen formuliert wurde. Der befürchtet, dass sich die Verkehrssituation durch Bauprojekte in der Kirchendelle maßgeblich verschlechtert.

Die Sorge möchte ich gerne nehmen. Die Verkehrssituation wird genau untersucht, um eine Überlastung zu vermeiden. Auch die eventuelle Ansiedlung eines Nahversorgers in diesem Bereich wird dabei berücksichtigt. Für die städtischen Flächen westlich der Hasseler Strasse gibt es keine Pläne, die Bebauung voranzutreiben. Wir haben mit dem Ankauf dieser Fläche jetzt einfach weitere Optionen. Zugleich werden dadurch am Goethepark und am Borner Weg Flächen frei, die beispielsweise für Wohnbebauung geeignet sind. Die Stadt hat da jetzt ein Pfund in der Hand.

Es gibt noch andere große Herausforderungen für die Stadt. Ich nenne mal ein paar, Stichworte: Stadthalle...

Das müssen wir jetzt anpacken. Aber wir sollten uns Zeit lassen, denn das Projekt wird nicht nur das Gesicht der Stadt prägen, es muss auch finanziell machbar sein – ob Sanierung oder Neukonzept.

Stichwort Hallenbad...

Die Sanierung war eigentlich schon beschlossen. Aber durch das neue Grundstück „Auf dem Pfennig“ ergeben sich auch hier neue Optionen, die wir abwägen müssen.

Stichwort Jubiläumsplatz...

Es gibt zum Jubi einen Entwurf, der quasi eine Idealvorstellung darstellt, an der aber noch viele Entscheidungen hängen. Konkret geplant ist aber eine kleine Optimierung, um den Platz barrierefreier zu gestalten. Die Vorstellung erfolgt im Herbst.

Hinzu kommt, dass Mettmann kreisweit die höchste Gewerbesteuer aufruft. Diese wurde gerade erst erhöht, ebenso wie die Grundsteuer B. Beide Maßnahmen stießen zum Teil auf Unverständnis und gar Empörung.

Mir wäre es auch lieber, wir könnten die Steuern senken, aber das hilft uns nicht. Wir müssen klar formulieren, dass unsere Haushaltssituation sehr schlecht ist. Langfristiges Ziel ist ein ausgeglichener Haushalt und zwar durch Konsolidierung und Ertragssteigerung. Das verlangt – so formuliert es die Kommunalaufsicht in der Haushaltsgenehmigung 2023 – auch unpopuläre Maßnahmen, die sicht- und spürbar sein werden.

Wie sieht es mit Konsolidierungsmaßnamen aus?

In der Grünpflege gibt es laut einer Untersuchung noch Einsparpotenzial, das wir gerade analysieren. Ansonsten muss man sagen: Auch aufgrund der vergangenen Haushaltssicherungskonzepte und den damit verbundenen bereits erfolgten Maßnahmen in der Vergangenheit ist die Zitrone bereits ziemlich ausgepresst.

Das bedeutet noch mehr harte Entscheidungen?

Ja, wir kommen nicht umhin, auch so beliebte Einrichtungen wie die Musikschule oder das Naturfreibad erneut auf den Prüfstand zu stellen. Wir müssen über Standards sprechen, zum Beispiel in den Bereichen Soziales und Sicherheit: Was brauchen wir da wirklich unbedingt? Von Bund und Ländern werden immer mehr Aufgaben an die Kommunen gegeben, aber wir können nicht mehr. Das an entsprechender Stelle immer wieder zu kommunizieren, gehört auch zu meinen Aufgaben.

Was macht Ihnen Mut für die Zukunft Mettmanns?

Die Menschen und ihr Engagement. Wir haben ein super funktionierendes ehrenamtliches Engagement in der Stadt. Viele großartige Veranstaltungen, Möglichkeiten zur Begegnung. Und übrigens auch einen tollen Einzelhandel, das wird manchmal übersehen. Mettmann ist liebenswert und es passiert gerade sehr viel.

(dir)
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