Offener Brief an die Mettmanner Stadtmusikanten "Es gab Applaus, als Ihr gegangen seid"

Mettmann · Folgender Leserbrief erreichte uns.

"Liebe Bremer...ähm...Mettmanner Stadtmusikanten,

gestern wollte ich mit meiner Familie und Freunden bei einem guten Essen auf dem schönen Markt an der Kirche den Abend ausklingen lassen. Fast wäre es gelungen. Das Wetter hielt sich, unsere Stimmung war super, der Service im La Piazza war zuvorkommend und einladend. Und dann bekamen wir Gesellschaft von Euch, den vier Mettmanner Stadtmusikanten. Ihr habt Euch direkt uns gegenüber mit Euren Instrumenten niedergelassen und uns beschallt. Lange. Und laut. Und durchdringend. Im Anschluss sammeltet ihr an den Tischen mit Eurem Hut einen Obolus für Eure Darbietung.

Warum ich nichts gegeben habe?

1. Ihr wart laut
Im allgemeinen möchten Gäste in einem Restaurant ihr Essen genießen und sich nett miteinander unterhalten. Wenn sie eine allesübertönende Beschallung wünschen, dann gehen Sie in eine Disco, auf eine Party oder zu einem Konzert. Nicht aber in ein gemütliches, kleines Lokal in romantischer Altstadtatmosphäre.

2. Ihr wart aufdringlich
Ja, ich spende gerne. Ich spende meine Altkleider, ich spende Bücher und Spielsachen, ich spende Geld. Aber ich bestimme, wann, wem und für welchen Zweck ich spende. Einer guten musikalischen Darbietung in der Einkaufsstraße, bei der ich freiwillig stehenbleibe und zuhöre, schmeiße ich auch gerne ein paar Münzen in den auf dem Boden liegenden Hut. Aber bei penetranter Zwangsbeschallung bin ich grundsätzlich nicht spendabel.

3. Ihr habt schlechte Songs gewählt
Ich gebe zu: Gute Musik, sacht im Hintergrund, kann in einem Restaurant die Atmosphäre unterstreichen. Ein wenig gediegener, zurückhaltender Jazz oder Lounge Musik, die den Gästen gestattet, zu entspannen, ohne deren Gespräche abzuwürgen - gerne! Aber Eure Songauswahl mit Dixie Musik erinnerte mich an den Ausflug ins Phantasialand am Vortag - dort erwartet man das und dort passt es hin: Musik für ein lautes, buntes Treiben mit
gewollter Jahrmarktstimmung. Aber doch nicht für eine ruhige Altstadtgasse.

Als zugezogene Obschwarzbacherin komme ich selten in die Mettmanner Innenstadt. Ich dachte, nun ja, da haben wir wohl Pech gehabt, dass Eure Combo sich ausgerechnet diesen einen Abend auswählte. Weit gefehlt. Unsere nette Servicemitarbeiterin klärte uns auf, dass ihr dieses heimelige Eckchen allabendlich heimsucht. "Ohje", entfuhr es mir da. Da bin ich ja froh, kein Anwohner zu sein. Und als ansässiger Gastronom würde ich mich fragen, wie viele meiner Gäste eventuell nicht wiederkommen. Habt ihr daran schon mal gedacht?

Und seid mal ehrlich: Wieviel ist denn am Ende tatsächlich im Hut gelandet? Ich bin davon überzeugt, dass ihr am Tage in einer belebten Einkaufsstraße vielmehr Publikum generieren könntet, dass Euch freiwillig zuhört und dann auch gerne gibt. Das würde sich doch auch für Euch viel mehr lohnen. Ist Euch eigentlich aufgefallen, dass es keinen Applaus gab? Ist das nicht frustrierend? Für den Musiker, der aus Leidenschaft und mit wahrer Hingebung spielt, ist dies doch der eigentliche Verdienst, die Anerkennung für die künstlerische Darbietung.

Viele Grüße,
die Gästin an Tisch 1

PS: Ach, es gab doch Applaus. Als Ihr gegangen seid."

Ivonne Gutsche, Mettmann

Hinweis

Die in Leserbriefen geäußerte Meinung gibt nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich außerdem sinngemäße Kürzungen vor. Anonyme Zuschriften bleiben unberücksichtigt.

(Schaufenster Mettmann)
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